Was ist Finasterid?
Finasterid ist ein synthetischer Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrösserung entwickelt wurde. [1] Der Durchbruch kam 1992, als die US-amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) Finasterid zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie zuliess. Fünf Jahre später, 1997, folgte die Zulassung für die Behandlung des männlichen Haarausfalls. [2]
Heute ist Finasterid in verschiedenen Dosierungen (oral und topisch) erhältlich. Dieser Artikel konzentriert sich auf den Wirkmechanismus und die wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit, unabhängig von der Darreichungsform. Für einen detaillierten Vergleich der verschiedenen Anwendungsformen lies unseren Artikel Finasterid topisch vs. oral.
Wirkmechanismus von Finasterid gegen Haarausfall
Um die Wirkung von Finasterid zu verstehen, müssen wir zunächst die biologischen Mechanismen des Haarausfalls betrachten.
DHT als Hauptfeind der Haarfollikel
Der Hauptübeltäter beim androgenetischen Haarausfall ist ein Hormon namens Dihydrotestosteron (DHT). DHT entsteht, wenn das Enzym 5α-Reduktase Typ II das männliche Hormon Testosteron umwandelt. [3] Das Problem: DHT ist etwa zehnmal potenter als normales Testosteron und bindet besonders stark an die Rezeptoren der Haarfollikel. [4]
Bei Menschen mit genetischer Veranlagung führt DHT zu einer progressiven Miniaturisierung der Haarfollikel:
- Die Wachstumsphase (Anagenphase) wird verkürzt
- Die Haarfollikel werden kleiner und dünner
- Aus kräftigen Terminalhaaren werden feine Vellushaare
- Schliesslich stellen die Follikel das Wachstum ganz ein
Finasterid blockiert die DHT-Produktion
Hier setzt Finasterid an: Es hemmt das Enzym 5α-Reduktase Typ II und verhindert damit die Umwandlung von Testosteron zu DHT. Die Effekte sind messbar: [5] Die DHT-Reduktion in der Kopfhaut beträgt 64-69 %, was die lokale Wirkung an den Haarfollikeln erklärt. Im Blut wird DHT um etwa 70 % reduziert, was die systemische Wirkung zeigt. Wichtig zu wissen ist, dass der Testosteron-Spiegel dabei normal bleibt und unverändert ist. Finasterid senkt also nur DHT, nicht Testosteron. Der normale Testosteronspiegel bleibt erhalten, weshalb typische männliche Merkmale nicht beeinträchtigt werden.
Zusätzliche Effekte auf zellulärer Ebene
Neuere Forschung zeigt, dass Finasterid nicht nur durch DHT-Reduktion wirkt, sondern auch direkt auf die Haarfollikel einwirkt. Finasterid schützt die Zellen der Haarfollikel vor Apoptose, also programmiertem Zelltod, und aktiviert Überlebenssignale in den Zellen, die die Haarwurzeln umgeben. [6] Der Wirkstoff verlängert zudem die Anagenphase und verkürzt die Katagenphase, sodass Haare länger in der produktiven Wachstumsphase bleiben. [7] Ausserdem stimuliert Finasterid zelluläre Signalwege, die für Haarwachstum essentiell sind, und fördert Stammzell-Signale in den dermalen Papillenzellen. [8] Diese kombinierten Mechanismen erklären, warum Finasterid nicht nur den Haarausfall stoppt, sondern bei vielen Anwendern auch zu Nachwuchs führt.
Klinische Studien und wissenschaftliche Evidenz
Die Wirksamkeit von Finasterid wurde in zahlreichen klinischen Studien über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg untersucht.
Die Landmark-Studie von 1998
Die wichtigste Studie zu Finasterid wurde 1998 im Journal of the American Academy of Dermatology veröffentlicht. [9] Diese multizentrische, placebokontrollierte Studie untersuchte über 1.500 Männer mit androgenetischer Alopezie über zwei Jahre. Das Studiendesign umfasste 1.553 Männer zwischen 18 und 41 Jahren, die randomisiert in eine Finasterid-Gruppe (1 mg täglich) oder Placebo-Gruppe eingeteilt wurden. Die Studie wurde doppelblind durchgeführt mit dem primären Endpunkt Haarzahl und Haarwachstum.
Die Ergebnisse nach 12 Monaten waren eindeutig und zeigten einen klaren Unterschied zwischen der Finasterid- und Placebo-Gruppe:
| Parameter | Finasterid | Placebo |
|---|---|---|
| Verbesserung (Arztbeurteilung) | 48 % | 7 % |
| Keine Veränderung | 42 % | 25 % |
| Verschlechterung | 10 % | 68 % |
Nach 24 Monaten setzten sich die positiven Effekte fort: 66 % der Finasterid-Gruppe zeigten eine Verbesserung, verglichen mit nur 7 % in der Placebo-Gruppe. Die Haarzahl nahm kontinuierlich zu und die Verbesserungen stabilisierten sich auf hohem Niveau.
5-Jahres-Langzeitstudie
Eine Folgestudie verfolgte die Teilnehmer über fünf Jahre. [10] Die Ergebnisse waren beeindruckend: 65 % der Anwender zeigten sichtbaren Haarnachwuchs, 35 % stabilisierten den Haarausfall ohne weitere Verschlechterung, und nur 5 % zeigten trotz Behandlung fortschreitenden Haarausfall. Die maximale Wirkung wurde nach 12-24 Monaten erreicht und blieb danach stabil.
Niedrigere Dosierungen
Studien zeigten, dass auch niedrigere Dosierungen als die Standard-1-mg-Dosis wirksam sein können. [11] Detaillierte Informationen zu verschiedenen Dosierungen (oral und topisch) findest du in unserem Artikel Finasterid Rezept Schweiz.
Wann sind erste Ergebnisse sichtbar?
Die Wirkung von Finasterid setzt zeitverzögert ein und entwickelt sich schrittweise. In den ersten 0-3 Monaten befindet man sich in der Stabilisierungsphase, in der der aktive Haarausfall stoppt und viele Anwender bereits bemerken, dass weniger Haare ausfallen. Nach 3-6 Monaten werden die ersten sichtbaren Verbesserungen erkennbar, wenn erste feine Haare (Vellushaare) sichtbar werden und die Haardichte sich zu verbessern beginnt. Zwischen Monat 6 und 12 zeigt sich eine deutliche Verbesserung, bei der die Vellushaare zu Terminalhaaren werden und die Haardichte sichtbar zunimmt. Nach 12-24 Monaten wird schliesslich die maximale Wirkung erreicht und die Haardichte stabilisiert sich auf dem neuen Niveau.
Die Therapie mit Finasterid erfordert Geduld. Anwender sollten mindestens 12 Monate warten, bevor sie die Wirksamkeit beurteilen. Vorzeitiges Absetzen kann dazu führen, dass potenzielle Erfolge verpasst werden.
Wer profitiert am meisten von Finasterid?
Die Wirksamkeit von Finasterid variiert je nach individuellem Profil und Stadium des Haarausfalls.
Ideale Kandidaten
Finasterid wirkt am besten bei Männern zwischen 18 und 60 Jahren in frühen Stadien des Haarausfalls (Norwood-Hamilton II-V). Die Behandlung zeigt besonders gute Ergebnisse bei Haarausfall am Scheitel und Oberkopf sowie bei aktiv fortschreitendem Haarausfall, wo die Haarfollikel noch aktiv sind. Bei bereits kahlen Bereichen ist die Wirkung deutlich eingeschränkt, da dort die Haarfollikel oft schon vollständig inaktiv sind.
Weniger geeignet
Weniger gut funktioniert Finasterid bei vollständig kahlen Bereichen, da die Haarfollikel dort bereits inaktiv sind. Auch bei sehr fortgeschrittenem Haarausfall (Norwood-Hamilton VI-VII) oder bei nicht-androgenetischer Alopezie wie Alopecia areata zeigt sich keine Wirkung.
Finasterid kann keine bereits inaktiven Haarfollikel reaktivieren. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Ergebnisse. Die besten Resultate zeigen sich bei Anwendern, die noch über aktive, wenn auch miniaturisierte Haarfollikel verfügen.
Anwendung bei Frauen
Die Datenlage für Finasterid bei Frauen ist limitiert. Kleinere Studien zeigen bei postmenopausalen Frauen Hinweise auf Wirksamkeit bei höheren Dosen von 5 mg. [12] Bei prämenopausalen Frauen gibt es unzureichende Evidenz, zudem besteht eine Kontraindikation wegen des Schwangerschaftsrisikos. In der Schwangerschaft ist Finasterid absolut kontraindiziert, da ein erhebliches Risiko für Missbildungen besteht. In der Schweiz ist Finasterid für Frauen nicht zugelassen und wird nur off-label bei postmenopausalen Frauen eingesetzt.
Was passiert nach Absetzen?
Ein wichtiger Punkt, den Anwender verstehen müssen: Die Wirkung von Finasterid hält nur bei kontinuierlicher Anwendung an. Nach Absetzen des Medikaments kehrt der Haarausfall innerhalb von 3-6 Monaten zurück, das Haarbild entwickelt sich auf das Niveau, das ohne Behandlung erreicht worden wäre, und bereits gewonnene Haare gehen wieder verloren. Finasterid ist also eine Langzeittherapie, bei der das Medikament dauerhaft angewendet werden muss, um die Ergebnisse zu erhalten. Dies bedeutet nicht, dass das Medikament abhängig macht, sondern dass der zugrunde liegende biologische Prozess des Haarausfalls ohne die DHT-Blockierung wieder einsetzt.
Fazit zur Wirksamkeit von Finasterid
Die wissenschaftliche Evidenz für Finasterid ist eindeutig: Es ist einer der wirksamsten Wirkstoffe gegen androgenetischen Haarausfall. Die Studienlage zeigt eine hohe Erfolgsquote, bei der es bei 2 von 3 Anwendern zu Nachwuchs kommt, während bei fast allen Anwendern der aktive Haarausfall stoppt und eine gute Stabilisierung erreicht wird. Die Effekte bleiben über Jahre stabil und zeigen nachgewiesene Langzeitwirksamkeit. Die besten Ergebnisse werden bei frühem Behandlungsbeginn erzielt, wenn die Haarfollikel noch aktiv sind.
Für praktische Informationen zu Bezug und Anwendung siehe Finasterid Rezept Schweiz. Informationen zu Nebenwirkungen findest du unter Finasterid Nebenwirkungen. Für einen Vergleich der Darreichungsformen lies unseren Artikel Finasterid topisch vs. oral. Du kannst auch eine Online-Konsultation starten oder mehr über die Ursachen von Haarausfall erfahren.